Freitag, 18. November 2011

Reinhardt Stiehle (Hrsg.): Rätsel Chiron


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1985, also vor bald fünfundzwanzig Jahren, erschien das erste Werk zu Chiron, der 1977 entdeckt worden war, in deutscher Sprache. Mit Zane B. Steins Chiron", jenem Werk, begann wesentlich die Rezeption im deutschsprachigen Raum. An dieses kleine Jubiläum wird nun mit dem Titel Rätsel Chiron" erinnert. Reinhardt Stiehle, der Herausgeber des Werkes, veröffentlicht die Positionen einer illustren Schar von Astrologen und Astrologinnen zur Deutung und Bedeutung des Kentauren Chiron für diese Autoren. Versammelt wurden Persönlichkeiten wie Dr. Baldur Ebertin, Melanie Reinhart, Karen Hamaker-Zondag, Eric van Slooten, Dr. Bernhard Firgau bis hin zu Brigitte Hamann.

Chiron, wie gesagt 1977 entdeckt, bildet inzwischen einen recht unbestrittenen Deutungsfaktor bei einer beachtlichen Anzahl westlicher AstrologInnen. Damit hat der Kentaur eine bemerkenswerte Karriere in der astrologischen Community zurückgelegt, doch diese Karrierelaufbahn bot und bietet durchaus recht verschiedene Zugänge und Interpretationen zum Wesen, zur Wirkung von Chiron. Genau das wird durch die Texte der Autoren deutlich und war auch Absicht des Herausgebers Reinhardt Stiehle.

Hatte z. B. der Pionier der Chiron-Deutung, Zane B. Stein, den Zugang vor allem über die astronomische Position Chirons als sich wandelnder Einzelgänger und Mittler zwischen der Sphäre von Saturn und Uranus, zwischen sichtbarer, bekannter, konservativer und überlieferter Welt im bekannten System mit seinen Zwängen und Grenzen und neuer (geistiger, immaterieller) Horizonte und revolutionärer Impulse und Bewegungen gedeutet, so spielten später, verstärkt ab den 1990er Jahren die mythologischen Überlieferungen aus der griechischen Antike eine Rolle. Besonders die Deutung Chirons als verletzten Heiler wurde einer der Standart-Zugänge.

Eine weitere Facette möglicher Zugänge galt der scheinbaren Verstoßung Chirons durch seine Mutter wegen seines Mischwesens, verbunden mit der Flucht seines körperlichen Vaters Kronos, so dass man die Möglichkeit früher seelischer Verletzungen betont. Und gerade die Mythologien zu Chiron bieten natürlich noch weitere Sichtweisen, wie die des Lehrers und Weisen, oder des Wesens zwischen animalischer Körperhälfte und Triebhaftigkeit und der geistigen Welt und Kraft des Menschen, wie die Arbeiten der versammelten Astrologen im Band verdeutlichen. Oder die des unsterblichen, aber auch unheilbar verwundeten Chiron, der nur durch seinen Tod dem eigenen Leiden entgehen kann und diesen mit der Erlösung des Prometheus verknüpft. Verschiedene Sichtweisen sind also möglich und haben sich auch schon aneinander abgewechselt, wie neben R. Stiehle Christoph Schubert-Weller erhellend in seinem Beitrag aufzeigt.

Eric van Slooten darf aus mehr klassischer Astrologie-Sicht seine Skepsis in seiner Arbeit formulieren, und schreibt, dass ihn die Vielzahl der Chiron-Deutungen nicht überzeuge. Und doch, gerade Eric van Slooten hat seine persönlichen, markant-symbolischen Erlebnisse mit Chiron, wie er anhand der auffallenden Transit-Positionen bereitwillig darlegt, als er sich doch endlich - leicht widerwillig - mit ihm beschäftigt.

Tatsächlich, zwischen seinem Text und dem Beitrag z. B. von Melanie Reinhart, die fast das ganze Spektrum Chirons als Kentaur, als Verstoßener, als Mischwesen, als astronomisch veränderlicher Mittler zwischen Saturn- und Uranus-Sphäre bis hin als Herrscher über die Gesundheitswelt des Tierkreiszeichens Jungfrau in ihrer Arbeit mit Chiron berücksichtigt, liegen Welten. Diese Welten werden in dieser Art Jubiläums-Band für die Chiron-Rezeption vorzüglich durch die so verschiedenen Perspektiven und Arbeiten der beteiligten Astrologen und Astrologinnen sicht- und wohl auch fruchtbar für die eigene Sicht auf Chiron, der inzwischen zur neu geschaffenen astronomischen Klasse der Kentauren gehört, zusammen mit so spannenden Himmelskörpern wie Pholus und Nessus.

Ein gelungener Band, der eine Übersicht zu Chiron und seinen vermuteten und möglichen Wirkungen ermöglicht, wie man sie in dieser Breite und Konzentration natürlich nicht so schnell wiederfindet. Reinhardt Stiehle, eben der Verleger des ersten Chiron-Titels deutscher Sprache und Chef des nach Chiron benannten Verlages, hat mit diesem Werk die Weite und Breite der Chiron-Rezeption zu einem würdigen Band für das kleine, angesprochene Jubiläum zusammengefasst.

(Rezension in der astrologischen Zeitschrift Meridian erstveröffentlicht, Heft 2 März/April 2009)