Montag, 3. Oktober 2011

Vettius Valens: Blütensträusse


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Wer war Vettius Valens, dessen Werk Anthologiai nun (2004) in die deutsche Sprache übertragen wurde? Der große Unbekannte der Astrologie-Geschichte der Antike, möchte man fast sagen. Sicherlich der unbekannteste - heutzutage wohlgemerkt - astrologische Autor von jenen fünf der hellenistischen Astrologie (Dorotheos von Sidon, Ptolemäus, Manilius, Vettius Valens und etwas später Firmicus Maternus), welche wesentlich - mehr oder weniger - die Grundlagen der spätantiken Astrologie zusammen gefasst haben. Von diesen fünf kann man ihn als erfahrensten Astrologen bezeichnen, wobei sonst nur noch Dorotheos selber als praktizierender Astrologe tätig gewesen war. Valens' Werk enthält entsprechend zahlreiche Horoskop-Beispiele, Ptolemäus' Werk z. B. gar keines. 

 
Sein Werk, in der Übersetzung "Blütensträuße" betitelt, öffnet den vermutlich tiefsten wie genauesten Einblick in die ausgeübte Astrologie um die und ab der Zeitenwende, zugleich einen Blick auf die recht breit und unverfälscht übernommenen, schon formulierten Hauptmerkmale der frühen Geburtshoroskopie. Valens macht z. B. Ausführungen zu den "Horoskop-Orten" - den Horoskop-Häusern - und den Tierkreiszeichen als Ganzes. Bei Manilius oder Ptolemäus sind die Zuschreibungen noch weitgehend von den analogen Sternbildern und ihren so genannten Abschnitten und den Sternbild-Fixsternen geprägt, die abschnittsweisen oder auch punktuellen Eigenschaften werden z. B. mit Venus-Saturn oder Mars-Sonne beschrieben. Selbst das so genannten Decumbitur - das Horoskop auf das erste Niederlegen wegen Krankheit des Erkrankten - erwähnt Valens, wir finden die Sekundärprogression und Transite beschrieben, die Lunationen oder die Profektion. Man erkennt daneben das Solar als Prognose-Methode und die Stundenastrologie bzw. Horoskope auf "Anfänge", die Katarchenhoroskope.


Bei Valens findet man weiter Angaben zu den Organ-Zuordnungen der Tierkreiszeichen, beeindruckend sind seine Ausführungen zu den Häuserableitungen, wie man sie aus der Stundenastrologie kennt (z. B. 11. Haus: Haus der Freunde, zugleich Haus der Ehe der Kinder, da die eigenen Kinder dem 5. Haus zugeordnet werden, die Ehepartner der Kinder entsprechend dem 7. Haus vom 5.). Valens bietet jedenfalls eine außerordentliche Fülle von Beschreibungen und Deutungen wie Zuordnungen, von Methoden und Horoskopfaktoren, Rechenwegen und Auslösungen. Und bei Fragen zur Ehe berücksichtigt sein Werk sowohl das 7. Haus die die Venus, ganz modern also.    


Spannend wird das Werk zudem aus der Perspektive, dass Valens wie Ptolemäus beide zur gleichen Zeit in Alexandria wirkten, Ptolemäus aber eben nur eine allgemeine wie ziemlich reduzierte Einführung in die Geburtshoroskop-Astrologie leistete, als Theoretiker. Die Tetrabiblos war auch nicht als Veröffentlichung und Lehrwerk konzipiert gewesen, sondern an einen Syrus adressiert und erst im 4. Jh. bekannt geworden. Valens liefert uns nun einen erheblich anderen Blick auf die AUSGEÜBTE, professionelle Astrologie, wenn man die theoretischen, wissenschaftsorientierten Ausführungen von Ptolemäus damit vergleicht.


Ein klassisches astrologisches Beispiel für die Unterschiede zwischen den beiden so verschiedenen Zeitgenossen zeigt sich in den Notizen beider zu den sogenannten befehlenden und hörenden Zeichen: Schreibt Ptolemäus von dem Zusammenhang mit der gleichen Distanz zum Punkt der Tagundnachtgleiche, 0° Widder, so dass Widder und die Fische ein Paar aus einem befehlenden und gehorchenden Zeichen bilden, dann führt Valens aus, dass Stier und Fische ein Paar aus einem befehlenden und gehorchenden Zeichen ergeben. Ohne den Bezug zur Tagundnachtgleiche, zu 0° Widder.


Die Blütensträuße verkörpern ein vielschichtiges, durchaus komplexes Werk auch manchmal widersprüchlicher Theorien und Überlieferungen hauptsächlich zur Geburtshoroskopie, in einer großen Dichte und teilweise merklicher "Unsortierheit". Eine Herausforderung für Astrologie-interessierte, denn die Übertragung ins Deutsche ist vor allem ein akademische, somit recht nah dem Ursprungstext und entsprechend weniger leicht zu verstehen. Leider wurde die Übersetzung ohne jede Anmerkung oder Fußnote zum Text selber und ohne ein Glossar zu astrologischen Begriffen veröffentlicht. Ein knappes Nachwort orientiert über die Textgeschichte, den Autor Valens und seine Quellen sowie Inhalt und Aufbau des Werkes.

Dennoch kann man sich nur glücklich schätzen, dass die Anthologiai ins Deutsche übertragen wurden.